Heutige Automobillacke unterliegen sehr hohen Qualitätsanforderungen hinsichtlich Farbe und Erscheinungsbild. Der erste Eindruck hinterlässt oft ein bleibendes Güteurteil, das über Design und Lackanmutung hinausgeht. Ein einheitlich aussehender Farbton ohne Flecken oder Streifen sind gefordert. Wolkigkeit, im Englischen auch als „Mottling“ bekannt, wurde von den Autoherstellern jahrelang visuell beurteilt; oft werden Mustertafeln in abgestuften Qualitätsgraden bei der Inspektion zur Hilfe genommen. Solche Effekte lassen sich jedoch nur dann kontrollieren und verbessern, wenn sie objektiv messbar sind.
Wolkigkeit macht sich in Form von Helligkeits- oder Farbänderungen unangenehm bemerkbar, besonders prägnant sticht das Phänomen an hellen Metallictönen ins Auge. Die Ursachen können sowohl beim Lackmaterial, z.B. Unverträglichkeiten, als auch bei den Applikationsparametern im Lackierprozess liegen. So können beispielsweise Schichtdicken-variationen des Basislacks oder Desorientierung der Effektpigmente zu einem fleckigen Aussehen und einem inhomogenen Erscheinungsbild führen.
Bei Autoherstellern und Lackzulieferern wurden Versuchsreihen zur Wahrnehmung von Wolkigkeit durchgeführt, um zu ermitteln, welche Wolken von Fachleuten und Laien als störend oder gar als Lackdefekt empfunden werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in der Entwicklung eines neuartigen Messgeräts genutzt, mit dem die Helligkeitsvariationen großer Flächen einfach und schnell aufgezeichnet werden können. Außerdem berücksichtigt es, wie ausgeprägt wir einen Mottling-Defekt erkennen, was auch stark von der Helligkeit und Feinheit des jeweiligen Effekttons abhängt. Visuelle Abmusterungsstudien von Metallic-Lackierungen mit unterschiedlichen Teilchengrößen der Aluminiumpigmente wurden bei verschiedenen Farbtönen und Tricoat-Systemen durchgeführt.
Automobilspezifikationen für die Lackierung von Karosserie und Anbauteilen beschreiben Qualitätsanforderungen mit Phänomenen wie Wolkigkeit, Glanz, Orange Peel und Oberflächenfehlern.
Wolkigkeit ist eine unerwünschte Störung von Effektlacken. Im Gesamtfarbeindruck werden unregelmäßige Bereiche variierender Helligkeit wahrgenommen, die als fleckiges, uneinheitliches oder streifiges Erscheinungsbild beschrieben werden. Da diese Hell/Dunkel - Flecken recht groß sind, werden sie mitunter auch als Wolken bezeichnet. Besonders auffällig sind solche Lackierfehler an großflächigen Fahrzeugteilen erkennbar. Um die visuelle Inspektion zu erleichtern, haben einige Autohersteller Referenztafeln mit unterschiedlichem Wolkigkeitsstufen als Vergleichsmaß erstellt. Allerdings sind die Lichtverhältnisse im Produktionsbereich häufig nicht ideal, um Wolken zu erkennen. Dabei hängt die Wahrnehmung nicht allein von der Beleuchtung ab, sondern auch von der Betrachtungsrichtung und -entfernung. Speziell bei hellen Effektlacken kann Wolkigkeit je nach Beobachtungswinkel unterschiedlich ausgeprägt erscheinen.
Wolkigkeit kann sowohl von der Lackformulierung als auch von Schwankungen im Lackierprozess herrühren. Ursache ist häufig eine ungleichmäßige Ausrichtung der Metallic-Pigmente im Lackfilm (Abb. 1) infolge instabiler Formulierung (z.B. Rheologieadditive) oder variierender Applikationsparameter (z.B. nasse/trockene Bereiche). Oft führen auch wechselnde Schichtdicken des Basislacks (Abb. 2 and Abb. 3) zu einem ungleichmäßigen Erscheinungsbild mit Flecken unterschiedlicher Größe.
Da die visuelle Inspektion von vielen Parametern abhängt, besteht ein hohes Interesse, Wolkigkeit durch objektive Messtechnik zu bewerten. In einigen Firmen wird in Forschung und Entwicklung mit Mehrwinkel - Spektralphotometern gearbeitet, um die Helligkeitsvariationen der Oberfläche Punkt für Punkt "abzuscannen" (Fingerprintanalyse). Diese Methode ist allerdings sehr zeitintensiv und kann nur an flachen Proben im Labor durchgeführt werden. Die Wahrnehmung von Wolkigkeit ist sehr subjektiv und hängt unter anderem auch vom Betrachtungsabstand ab. Große Flecken sind in größerem Abstand deutlicher, während kleine Flecken besser von Nahem zu sehen sind (Abb. 4).
Abbildung 1 Orientierungswolken: Fehlorientierung der Metallicflakes im Basislack
Abbildung 2 Schichtdickenvariation
Abbildung 3 Partielle Deckkraft bei flacher Beobachtung
Abbildung 4 Wolkigkeit wird je nach Entfernung zur Oberfläche unterschiedlich wahrgenommen
Um Wolkigkeit objektiv zu bewerten, ist es erforderlich die Helligkeitsvariationen über einen großen Probenbereich und unter verschiedenen Detektionswinkeln zu ermitteln (Abb. 5 und Abb. 6). Mit dem cloud-runner wird die Oberfläche optisch abgetastet und das Helligkeitsmuster gemessen. Die Probe wird mit einer Weißlicht-LED unter 15° zur Senkrechten beleuchtet. Um den Einfluss des Betrachtungswinkels zu berücksichtigen, sind drei Detektoren bei 15°, 45° und 60°, bezogen auf den Glanzwinkel, angeordnet.
Das Messgerät wird auf der Probe über eine definierte Strecke bewegt und die Helligkeitsvariation Punkt für Punkt gemessen. Die Scanlänge kann variabel von 10 bis 100 cm eingestellt werden.
Das Messsignal wird durch mathematische Filterfunktionen in 6 verschiedene Größenbereiche aufgeteilt und je ein Messwert für jede Wolkengröße und jeden Winkel berechnet. Diese Messwerte bilden ein relatives, dimensionsloses Maß für die Sichtbarkeit - je höher sie sind, umso deutlicher ist der Effekt erkennbar.
Wolkengröße | |
Md | 6 - 13 mm |
Me | 11 - 24 mm |
Mf | 19 - 42 mm |
Mg | 33 - 72 mm |
Mh | 57 - 126 mm |
Mi | 100 - 200 mm |
Die Messwerte werden in einem sogenannten Wolkenspektrum dargestellt, wobei die Wolkengröße auf der waagerechten Achse aufgetragen ist (Abb. 7).
In diesem Beispiel, ein hellblauer Metalliclack, ist der Einfluss des Betrachtungswinkels deutlich ausgeprägt. Visuell sind in der Frontalansicht (15°), wo die Probe auch heller erscheint, mittlere bis große Flecken sichtbar. Wird die Probe hingegen unter flachen Winkeln betrachtet, so sind diese Flecken nicht mehr erkennbar.
Abbildung 5 Optisches Prinzip cloud-runner
Abbildung 6 cloud-runner von BYK-Gardner
Abbildung 7 Wolkenspektrum bei 3 verschiedenen Winkeln
Typischerweise werden Hell- / Dunkel-Flecken mit einer durchschnittlichen Größe von 5 bis 10 cm von Experten und Laien als Wolken erkannt. Deshalb ist eine minimale Probengröße von ca. 30 x 50 cm, sowohl für die visuelle Beurteilung als auch die Messung, empfehlenswert. Diese Erfahrung wurde in mehreren Feldstudien von Automobilherstellern mit diversen Farbtönen und Effektlacken bestätigt. Die kleineren Wolkengrößen werden meist nicht vom Lackierprozess beeinflusst und sind charakteristisch für das Lackmaterial, sie hängen insbesondere von der Größenverteilung der Metallic- bzw. Effektpigmente ab. Daher lassen sich die kleinen Wolken besser mit dem Begriff Textur beschreiben. Eine erhöhte Textur überlagert die großen Wolken und dämpft deren Sichtbarkeit. Wolkigkeit ist bei einem feinen Silbermetallicton deutlicher zu erkennen als bei einem grob texturierten Silbermetallic.
Um kundenrelevante Grenzwerte für Wolkigkeit zu ermitteln, wurden Korrelationsstudien zur visuellen Beurteilung durchgeführt. Als Resultat wurde ein Wolkenindex entwickelt, der die großen Wolkenanteile in einem Wert zusammenfasst:
M = LM • (1-f • T) with LM = ((0.5Mf + max(Mg,Mh ) )) / 1.5
Die kleinen Wolkenanteile wurden ebenfalls zusammengefasst, in einem Wert für die Textur:
T = ((Md + 0.5Me )) / 1.5 - 6
Der Einfluss der Textur auf die visuelle Wahrnehmung wird durch den Gewichtungsfaktor f im Wolkenindex berücksichtigt und ermöglicht so den Vergleich von Farbtönen mit unterschiedlicher Textur. Da dieser Einfluss mit flacherem Betrachtungswinkel abnimmt, verkleinert sich der Gewichtungsfaktor entsprechend:
fT(15°) = 0.05
fT(45°) = 0.04
fT(60°) = 0.03
Wolkenindex M und Textur T ermöglichen die einfache Darstellung der Messergebnisse in einer Wolkengrafik (Abb. 8), das sowohl für die Lackentwicklung als auch für die Prozesskontrolle vieler Farbtöne verwendet werden kann. Auch lassen sich zur Qualitätskontrolle "Rot - Gelb - Grün" Grenzen für den Wolkenindex definieren.
Abbildung 8 Wolkengrafik (Mottle-Chart)
Wolkigkeit kann, wie oben dargelegt durch Veränderungen im Prozess oder der Lackformulierung verursacht werden. Daher ist es erforderlich, die Qualität sowohl in der Freigabe von neuen Farbtönen und Lackchargen zu beurteilen als auch an den Karossen in der Lackierlinie.
Abbildung 9 zeigt die Messdaten von 100 Fahrzeugen mit unterschiedlicher Farbe und Textur.
Es wurde ein spezifischer Grenzwert für den Wolkenindex M15° gesetzt. Dadurch erhält der Anwender schnell eine Übersicht für die Prozessstabilität. Im nächsten Schritt können die Daten nach Farbton und Lackierlinie weiter analysiert werden.
Ein typisches Problem im Lackierprozess ist das Auftreten sogenannter "Streifen" - also ein Muster heller und dunkler Streifen entsprechend des Applikationsablauf (Abb. 10).
Die Messergebnisse in Abbildung 11 zeigen solch ein Beispiel bei einem Silbermetallicton. Die Kurven der Motorhaube sind in Mh deutlich erhöht, während die Messung an der Tür keine erkennbare Störung zeigt. (Abb. 12)
Um eine eventuelle Streifenbildung detektieren zu können, muss die gemessene Oberfläche genügend groß sein. Daher sollte die Scanlänge bei mindestens 45 cm liegen, und die Messungen müssen quer zur Applikationsrichtung erfolgen. Dabei ist es empfehlenswert, etwa 10 Scans im Abstand von ca. 1 bis 2 cm durchzuführen
Abbildung 9 Mottle-Chart von 100 Fahreugen
Abbildung 10 Streifeneffekt
Abbildung 11 Mottles-Spektrum eines Silbermetalliclacks mit und ohne Streifen
Abbildung 12 Mottle-Charts eines Silbermetalliclacks mit und ohne Streifen
Um zu gewährleisten, dass Farbe und Erscheinungsbild als gleichmäßig und ohne Makel empfunden werden, sind objektive Messgeräte erforderlich. Die visuelle Inspektion der Oberflächenqualität ist stark von den Abmusterungsbedingungen abhängig, die im Produktionsbereich oft nicht optimal sind. Neuartige Messtechnologie in einem portablen Handgerät ermöglicht die objektive Kontrolle des kritischen Lackdefekts Wolkigkeit. Um kundenrelevante Grenzwerte zu ermitteln, wurden Feldstudien zur visuellen Bewertung durchgeführt
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