Heutzutage spielen Effektlackierungen bei vielen Anwendungen eine sehr wichtige Rolle, weil durch deren Einsatz das Aussehen eines Gegenstandes an Attraktivität gewinnt. Im Gegensatz zu konventionellen Unifarben ändern Effektlacke ihr Aussehen mit dem Beobachtungswinkel und den Lichtverhältnissen. Bei Interferenzlacken ändern sich mit dem Blickwinkel nicht nur die Helligkeit, sondern auch der Farbton. Die neueste Entwicklung sind spezielle Effektpigmente, die je nach Lichtverhältnissen, d.h. sonnig oder bewölkt, mehr oder weniger glitzern.
Um diese Effekte objektiv zu beschreiben, werden instrumentelle Messungen mit Mehrwinkelspektralphotometern durchgeführt. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die visuelle Bewertung von Effektlacken, das Messprinzip eines Mehrwinkel- und Effektspektralphotometers und veranschaulicht die Dateninterpretation von Glitzer- und Körnigkeitswerten.
Um die Helligkeitsänderung von Metalliclacken bei unterschiedlichen Betrachtungswinkeln an einem Probenblech visuell nachzustellen, wird das Blech langsam geneigt. Man spricht vom so genannten „Hell-Dunkel Flop”. Je größer der Helligkeitsunterschied zwischen den Betrachtungswinkeln ist, desto mehr werden die Konturen eines Gegenstandes betont. Um die Farbtonänderung von Interferenzlacken zu beobachten, sollte das Probenblech von oben nach unten bewegt werden. Dabei vergrößert bzw. verkleinert sich der Winkel zur Lichtquelle (Abb. 1).
Neben der Farbe beeinflussen auch Metallic-Flakes oder andere Glitzerpigmente unseren visuellen Eindruck. Dieser Effekt ändert sich mit den Lichtverhältnissen: Sonnenschein im Vergleich zu bedecktem Himmel. (Abb. 2).
Man kann einen Glitzereffekt nur unter direkter Sonneneinstrahlung wahrnehmen. Der Effekt wird oft mit unterschiedlichen Worten beschrieben, wie z.B. Glitzer, Mikro-Brillanz oder Schimmer. Der Glitzereffekt wird durch das Reflexionsvermögen der einzelnen Effektpigmente verursacht. Aus diesem Grunde wird er beeinflusst durch
Der Glitzereffekt verändert sich in Abhängigkeit des Beleuchtungswinkels.
Während wir bei Sonnenschein den Glitzereffekt wahrnehmen, verändert sich der Eindruck bei bedecktem Himmel völlig. Dieser veränderte Eindruck wird mit Begriffen wie Körnigkeit oder „Salz und Pfeffer” beschrieben. Die Körnigkeit hängt von der Flakegröße oder der Flake-Orientierung ab. Daraus resultiert ein uneinheitliches und unregelmäßiges Muster. Der Beobachtungswinkel ist dabei von geringer Bedeutung [1, 2].
Abbildung 1 A - Visual evaluation of traditional metallic finishes / B - Visual evaluation of effect coatings with color flop
Abbildung 2 Glitzer bei direktem Sonnenschein gegenüber Körnigkeit bei bedecktem Himmel
Um eine objektive Farbbeurteilung bei Metalliclackierungen zu erhalten, werden von ASTM, DIN und ISO, Standards zur Mehrwinkelfarbmessung vorgegeben. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass mindestens drei und optimalerweise fünf Betrachtungswinkel nötig sind. [3, 4, 5, 6, 7]. Bei der Mehrwinkelfarbmessung bezieht sich die Messgeometrie auf die Differenz zum Glanzwinkel. Der Betrachtungswinkel wird von der spekularen Reflexion in der Beleuchtungsebene weg gemessen. Der Winkel ist positiv, wenn er von der spekularen Reflexion zur Normalen hin gemessen wird (Abb. 3) [8, 9].
Eine gerichtete Beleuchtung ist einer Rundumbeleuchtung vorzuziehen, da sie den Einfluss von Direktionalität (Jalousien Effekt) oder anderen Oberflächenfehlern verringert. Eine Rundumbeleuchtung kann bewirken, dass der gemessene Farbwert von zwei Proben gleich ist, diese jedoch visuell unterschiedlich aussehen.
Zur Qualitätskontrolle werden die farbmetrischen Werte L*,a*,b* (oder L*,C*, h°) und ΔE* verwendet. Die Toleranzen für die Winkel nahe dem Glanz (15°, 25°) und die Flop Winkel (75°, 110°) sind normalerweise größer als die Toleranz beim 45° Winkel. Um eindeutige Toleranzen unabhängig vom Farbton anzugeben, müssen gewichtete Faktoren verwendet werden. Deshalb wurden von Automobilfirmen Spezifikationen nach DIN 6175-2 für 3- oder 5- Winkelfarbmessung erstellt. Eine weitere hilfreiche Maßzahl ist der „Flop Index”. Dieser bewertet die Helligskeitsänderung [10].
In den letzten Jahren sind Spezialeffektpigmente immer beliebter geworden. Bei einigen dieser Pigmente wandert der Farbort über einen weiten Bereich. Damit die gesamte Farbtonveränderung von Interferenzpigmenten vollständig erfasst wird, ist es notwendig, Beobachtungs- und Beleuchtungswinkel zu ergänzen. Um eine einfache Anwendung in der Praxis mit einem portablen Messgerät zu gewährleisten, wurde ein Beobachtungswinkel „hinter dem Glanz” bei -15° hinzugefügt. (Abb. 4 und 5) [9, 11].
Die herkömmliche 6-Winkelfarbmessung berechnet die Farbwerte, indem die spektrale Reflexion über den gesamten Messfleck gemittelt wird. Daher wird nicht zwischen der Farbe des Basislacks und der Reflexion der Aluminium Flakes unterschieden. Folglich können zwei Effektlackierungen die gleichen Werte mit einem 6-Winkel Spektralphotometer haben, jedoch visuell sehr unterschiedlich aussehen. Der visuelle Unterschied resultiert aus den unterschiedlichen Flake-Effekten.
dL* | da* | db* | |
-15° | -0.35 | 0.25 | 0.42 |
15° | 0.16 | 0.19 | 0.43 |
25° | -0.65 | 0.20 | 0.48 |
45° | -0.10 | 0.05 | 0.00 |
75° | 0.46 | -0.11 | -0.60 |
110° | 0.69 | -0.11 | -0.89 |
dSparkle | dGraininess | |
15° | 7.85 | |
45° | 4.17 | |
75° | 1.48 | |
Diffus | 3.81 |
Um das Aussehen von Effektlacken unter verschiedenen Beobachtungswinkeln und Lichtverhältnissen zu beschreiben, misst der BYK-mac i objektiv den Gesamtfarbeindruck (Abb. 6):
Abbildung 3 Messaufbau eines Mehrwinkel-Spektralphotometers
Abbildung 4 Farbänderung eines Interferenzpigmentes
Abbildung 5 Bestimmung der Farbänderung hinter dem Glanz bei -15°
Abbildung 6 Messaufbau zur Mehrwinkelfarb- und Effektmessung
Der Glitzereffekt verändert sich in Abhängigkeit des Beleuchtungswinkels. Aus diesem Grunde beleuchtet der BYK-mac i die Probe mit sehr hellen LEDs unter drei verschiedenen Winkeln: 15°/45°/75°. Die CCD-Kamera nimmt dabei senkrecht zur Oberfläche jeweils ein Bild auf.
Die Bilder (Abb. 7) werden mit Hilfe von Bildverarbeitungsalgorithmen analysiert, wobei das Histogramm der Helligkeitsstufen als Basis für die Berechnung der Glitzerparameter verwendet wird. Der Gesamteindruck Glitzer kann mit dem eindimensionalen Parameter Glitzer-Grad beschrieben werden. Ein Glitzer-Grad wird durch die Glitzerfläche und die Glitzerintensität definiert (Abb. 8). Da der eindimensionale Glitzer-Grad bei unterschiedlichen Verhältnissen von Glitzerfläche und -intensität denselben Wert haben kann, müssen visuell akzeptable Toleranzen durch den Vergleich einer Probe mit einem Standard definiert werden. Aus diesem Grund werden die Glitzerwerte auch in einer Differenzgraphik dargestellt (Fig. 8). In Zusammenarbeit mit mehreren Automobilherstellern, Lack- und Pigmentherstellern wurde auf der Grundlage visueller Korrelationsstudien eine neue Toleranzgleichung ΔS für den Glitzer entwickelt. Als Richtlinie wurden gewichtete Farbdifferenzformeln herangezogen, so dass ein elliptisches Toleranzmodell entstanden ist. Das menschliche Auge reagiert weniger kritisch auf Änderungen innerhalb eines Glitzergrades als auf Änderungen von Grad zu Grad. Deshalb läuft die lange Ellipsenachse entlang der Glitzergradlinien. Um das Modell für Pass/Fail Entscheidungen bei der Chargen- und Prozesskontrolle verwenden zu können, wird der Gesamt-Glitzerabstand zwischen Probe und Standard berechnet: ΔSparkle.
Zur Bewertung der Körnigkeit nimmt die Kamera ein Bild bei diffuser Beleuchtung auf, die durch zwei weiß beschichtete Halbkugeln erzeugt wird. Das Bild (Abb. 9) wird mit Hilfe des Histogramms der Helligkeitsstufen analysiert, wobei die Homogenität der hellen und dunklen Flächen in einem Körnigkeitswert zusammengefasst wird.
Bei einem Unifarbton wird ein Körnigkeitswert von Null erreicht; je höher der Wert ist, desto körniger erscheint die Probe bei diffuser Beleuchtung.
Abbildung 7 Niedriger und hoher Glitzer
Abbildung 8 Darstellung von Glitzerfläche und Glitzerintensität
Abbildung 9 Niedrige und hohe Körnigkeit
Glitzer und Körnigkeit machen Aussagen über Flakegröße und -konzentration. Das Beispiel unten (Abb.10) zeigt einen silbernen Effektlack mit drei unterschiedlichen Flakes (25 µm - 34 µm - 54 µm). Visuell glitzert die Probe mit dem gröberen Aluminiumpigment unter direkter Beleuchtung am stärksten und erscheint unter diffusem Licht deutlich „körniger”.
Die Messdaten des BYK-mac i korrelieren mit der visuellen Bewertung: Glitzerfläche, Glitzerintensität und Körnigkeit nehmen mit der Flakegröße zu.
Abbildung 10 BYK-mac i Effektdaten eines silbernen Lacks mit unterschiedlich großen Flakes
Neben den Aussagen zu Art und Konzentration der Effektpigmente kann man durch Vergleich der Glitzerfläche bei 15° und 75° Beleuchtung zusätzlich Informationen über die Ausrichtung der Flakes erhalten.
Um die Lackausbeute zu erhöhen, wird der Basislack zunehmend 100%ig elektrostatisch aufgetragen. Dies führt besonders bei Metalliclacken mit gröberen Aluminium Flakes zu einer schlechteren Orientierung der Flakes. Das Resultat ist ein geringerer Helligkeitsflop und höherer Glitzereffekt bei flachen Beobachtungswinkeln. Im nachfolgenden Beispiel wurde der Basislack der Karosse bereits 100%ig elektrostatisch appliziert, während die Stoßfänger noch elektrostatisch / pneumatisch lackiert wurden. Der Gesamtfarbabstand ΔEDIN lag innerhalb der Spezifikation.
dEDIN avg. | |
Fuel Door 2 | 0.59 |
Fuel Door 1 | 0.88 |
DPillar_R | 0.63 |
DPillar_L | 0.56 |
Door_R | 0.53 |
Door_L | 0.62 |
Bumper_R2 | 0.56 |
Bumper_R1 | 0.40 |
Bumper_F3 | 0.89 |
Bumper_F1 | 0.87 |
Bumper_F2 | 0.90 |
Visuell jedoch glitzerte die Karosse deutlich mehr als die Stoßfänger. Die BYK-mac i Messdaten für Glitzer 75° spiegeln den visuellen Eindruck wider. Die Glitzermessung bei 75° bewertet die Aluminium-Flakes, die nicht parallel ausgerichtet sind. Die größte Veränderung ist in der zunehmenden Glitzerfläche zu sehen (Abb. 11).
Die Ausrichtung der Flakes kann auch durch die Lackrezeptur, z.B. dem Rheologie-Additiv, beeinflusst werden. Da feinere Aluminium-Flakes von Natur aus mehr Kanten besitzen und damit mehr Streulicht erzeugen, ist die Ausrichtung vor allem bei gröberen Pigmenten wichtig. Die Verwendung eines optimierten Rheologie-Additives führt zu einem besseren Flopverhalten und geringerem Glitzereffekt bei flachen Winkeln. Im folgenden Beispiel (Abb. 12) wurde ein wasserbasierendes System bewertet, bei dem drei unterschiedliche Rheologie-Additive verwendet wurden: ein Standardsystem, ein Acrylatverdicker und das BYK-Chemie Wachsadditiv AQUATIX®. Unter einem steilen Betrachtungswinkel erscheinen die drei Proben visuell gleich. Vergleicht man sie jedoch unter einem flachen Winkel, glitzert das System mit dem BYK-Chemie Additiv weniger.
Die BYK-mac i Messdaten korrelieren mit dem visuellen Eindruck. Die Glitzerfläche des Bleches mit Wachsadditiv ist bei 75° kleiner als bei den beiden anderen Proben. Da der Glitzer 75° die Flakes bewertet, die weniger gut ausgerichtet sind, zeigen die Messwerte, dass mit dem BYK-Chemie Wachsadditiv AQUATIX® die Ausrichtung der Aluminium-Flakes verbessert werden kann.
Abbildung 11 BYK-mac i Effektdaten zeigen den Einfluss der Applikationsmethode
Abbildung 12 BYK-mac i Effektdaten zeigen den Einfluss des Rheologie-Additivs
Die Einführung neuer Effektpigmente erfordert neue innovative Messtechniken, um den Gesamtfarbeindruck zu erfassen. Es reicht nicht mehr aus, die Farbe nur unter verschiedenen Betrachtungswinkeln zu messen. Die Farbwahrnehmung ändert sich auch bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen (direkte und diffuse Beleuchtung) und daher müssen so genannte Glitzer- und Körnigkeitseffekte objektiv beschrieben werden.
BYK-Gardner's Spektralphotometer BYK-mac i ist zusammen mit der Datenanalysesoftware smart-chart ein leistungsstarkes Werkzeug zur objektiven Kontrolle des Gesamtfarbeindrucks im Labor und an der Produktionslinie.
[1] Kirchner, E.J.J., van den Kieboom, G.J., Njo, S.L., Super, R., Gottenbos, R., “ The Appearance of Metallic and Pearlescent Materials”, COLOR research and applications, 2006 Wiley Periodicals, Inc.
[2] Cramer, W., “Ohne Glimmer, aber mit Glitzer, Farbe & Lack 2003, 109 – 4/2003
[3] Cramer, W., Gabel, P., “Measuring special effects”, European Coatings Journal, 7-8, 01, pp 34-39
[4] Baba, G., Kondo, A., and Mori, E., “Goniometric Colorimetry”, Proceedings of the 6th Congress of the AIC, Vol. II, 213, Buenos Aires (1989)
[5] Alman, D.H., “Directional Color Measurement of Metallic Flake Finishes”, Proceedings of the ISCC Williamsburg Conference on Appearance, 53 (1987)
[6] Schmelzer, H., “Farbmessung und Rezeptberechnung bei Metallic-Automobillacken”, Proceedings of the 18th FATIPEC Congress, Vol. I (B), 607 (1986)
[7] Saris, H.J.A., Gottenbos, R.J.B., and van Houwelingen, H., “Correlation between Visual and Instrumental Colour Differences of Metallic Paint Films
[8] ASTM Standard E 2194 – 14 (2021), Standard Test Method for Multiangle Color Measurement of Metal Flake Pigmented Materials
[9] DIN 6175: 2019 - 07, Farbtoleranzen für Automobillackierungen – Unilackierungen und Effektlackierungen
[10] Rodrigues, A.B.J., Measurement of Metallic & Pearlescent Colors, Proceedings of the AIC INTERIM SYMPOSIUM ON INSTRUMENTATION FOR COLOUR MEASUREMENT; Berlin, September 4, 1990
[11] ASTM Standard E 2539 – 14 (2021), Standard practice for Multiangle Color Measurement of Interference Pigments