Spectrum of Science 4.20
Wenn Kinder das erste Mal einen Wasserfarbkasten vor sich haben, wissen sie noch nicht, was beim Zusammengeben der unterschiedlichen Farben herauskommt. Das erste Experiment ist daher für kleine Beobachter vielleicht spannender als für Erwachsene: Mischen Sie die gelbe und blaue Farbe eines Wasserfarbkastens. Dass man Grün erhält, dürfte kaum jemanden überraschen.
Etwas aufwändiger – und weniger vorhersehbar – ist das zweite Experiment. Man benötigt:
Schritt 1:
Mit einem geeigneten Messgefäß füllt man in beide Gläschen je zehn Milliliter Brennspiritus. Der Folienstreifen wird auf einer Fläche von drei mal zwei Zentimetern mit dem gelben Textmarker bemalt und in eines der Gläschen getaucht. Anschließend nimmt man ihn heraus, trocknet ihn mit einem Haushaltstuch und wiederholt den gesamten Prozess noch zweimal mit derselben Lösung. Auf diese Weise löst sich der Farbstoff im Brennspiritus. Sehen wird man davon zunächst nichts, denn die entstandene Lösung bleibt farblos. Der Grund dafür sind die besonderen Eigenschaften des Pyranins, das in Lösung ein Gleichgewicht zwischen einer protonierten, farblosen sowie einer deprotonierten, gelben Form ausbildet (Strukturformeln oben). In neutraler, wässriger Umgebung liegt das Gleichgewicht so weit auf der rechten Seite der Gleichung, dass eine Pyraninlösung gelb erscheint: Weil die Pyraninmolekülionen ein Proton (H+) ihrer OH-Gruppe bereitwillig an das Wasser abgeben, liegen so viele deprotonierte Pyraninteilchen vor, dass das menschliche Auge die gelbe Farbe wahrnehmen kann. In Ethanol erhält man eine farblose Lösung, da Ethanol weit weniger dazu neigt, Protonen aufzunehmen als Wasser, und das Gleichgewicht somit nahezu vollständig auf der linken (farblosen) Seite liegt.
Schritt 2:
Zu den zehn Millilitern Ethanol im zweiten Schnapsglas gibt man nun einen Tropfen roter Lamy-Tinte. Dadurch färbt sich die Lösung sehr schwach rot und fluoresziert ganz leicht gelb. Denn die Tinte enthält den Farbstoff Eosin Y.
Die hergestellten Lösungen bieten unter UV-Licht (Wellenlänge 365 nm) ein beeindruckendes Bild, da die Pyraninlösung intensiv blau und die Eosin-Y-Lösung gelb fluoresziert (siehe Bild rechts).
Schritt 3:
Wie schon die gelbe und blaue Wasserfarbe sollen nun die gelbe und die blaue Lösung in einem weiteren Gefäß unter UV-Licht zusammengemischt werden. Wir haben viele Studenten und Schüler zuvor befragt, was sie erwarten würden. Die überwältigende Mehrheit hat darauf getippt, dass man eine grün fluoreszierende Lösung erhalten würde. Hand aufs Herz, was erwarten Sie?
Tatsächlich fluoresziert das Gemisch aus beiden Lösungen in weißem Farbton
Subtraktive versus additive Farbmischung
Die falsche Erwartung der Schüler und Studenten ist damit zu erklären, dass sie das Prinzip der subtraktiven Farbmischung auf das vorliegende Experiment angewendet haben. Dieses Prinzip haben sie nämlich fest verinnerlicht, da sie es – wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung – spätestens seit der Grundschule vom Mischen der Wasserfarben kennen.
Bei der subtraktiven Farbmischung wird ein Teil des Lichts durch Farbfilter ausgeblendet oder durch Pigmente absorbiert und dadurch vom ursprünglich vorhandenen Licht subtrahiert. Das restliche Licht bildet eine Mischfarbe. Somit tritt die subtraktive Farbmischung immer dann auf, wenn Körper, die nicht selbst leuchten, einen Farbeindruck hervorrufen. Schon die drei Grundfarben Zyan, Magenta und Gelb reichen aus, um alle erdenklichen Farben zu mischen.
Im Gegensatz dazu ergibt sich bei dem Experiment mit den fluoreszierenden Lösungen eine additive Farbmischung. Sie liegt immer dann vor, wenn farbiges Licht aus verschiedenen Lichtquellen zusammentrifft. Hierbei hängt der resultierende Farbeindruck von den Ausgangsfarben und deren Intensität ab. Die drei Grundfarben sind dabei Rot, Grün und Blauviolett (RGB). Nach internationaler Norm handelt es sich um monochromatisches Licht der Wellenlängen 700 Nanometer (nm) (Rot), 546 nm (Grün) und 435 nm (Blauviolett). Werden diese in geeigneter Helligkeit addiert, sieht man Weiß (Bild links). Eine Mischung aus Grün und Rot ergibt Gelb, aus Grün und Blauviolett entsteht Zyan, und mit Blauviolett und Rot erhält man Magenta. Andere (Misch-)Farben kann man erzeugen, indem man die Lichtintensitäten verändert.
Referenzen:
[1] Ducci, M., Oetken, M.: Wie Farben entstehen. Spektrum der Wissenschaft 4/2020, S. 48-51. Nutzung genehmigt durch Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg 2020
[2] Ducci, M., Oetken, M.: Fluoreszierende Farbspiele. Spektrum.de 21.02.2018. Nutzung genehmigt durch Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg 2020